Somalia nach dem 11.9.
Im November 2001 konnte man die Äußerungen aus Washington noch so verstehen, als stünde eine Aktion in Somalia unmittelbar bevor. Die Begründungen lauteten:
In Somalia würden islamistische Gruppen, vor allem die "Al-Itihaad" (Arabische Union), Ausbildungslager für Terroristen unterhalten und Mitglieder von Osama Bin Ladens Netzwerk El Kaida würden dort
Zuflucht suchen. Beweise dafür liegen der Öffentlichkeit bis heute nicht vor. Dennoch operieren seit Ende 2001 britische und US-amerikanische Einsatzkräfte in dem Land am Horn von Afrika und vor der Küste
patrouillieren seit Januar zahlreiche Kriegsschiffe darunter die drei deutschen Fregatten "Emden", "Köln" und "Bayern" begleitet vom Tanker "Spessart", Versorgungsschiffen und
fünf Schnellbooten. An Bord sind zur Zeit 1.250 Marine-Soldaten. Im benachbarten Dschibuti sind 50 deutsche Fallschirmjäger und Marineaufklärer stationiert.
Auch wenn sich bis heute nichts an der militärischen Präsens geändert hat, die Vorwürfe gegen Somalia werden nur noch gedämpft erhoben, nachdem selbst der
Oberbefehlshaber der US-Streitkäfte in Afghanistan, General Franks, die Region bereiste und keinerlei Anzeichen für die früheren Behauptungen fand.
Nach Jahres des Bürgerkrieges waren in den letzten zwei Jahren, seit den Friedensgesprächen in Dschibuti und der Bildung der Übergangsregierung unter
Abdullkassim Hassan, zaghafte Anzeichen für eine Verbesserung der Situation erkennbar: Exil-Somalis kehrten zurück in ihre Heimat, es wurden wieder Investitionen getätigt und viele kleine Betriebe wurden neu oder
wieder eröffnet.
Diese Entwicklung kam nun fast komplett zum erliegen, weil die USA die Barakaat Bank schlossen, wegen angeblicher Geldtransfers für
El Kaida. Die Bank erhielt vor der Schließung keine Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ungefähr die Hälfte aller Somalis haben keine andere Einnahmequelle als die Gelder, die
sie über die Barakaat Bank von ihren Angehörigen im Ausland erhalten. Die Barakaat Bank ist ein Mischkonzern und betreibt u.a. eine Mobilfunkgesellschaft und ist der einzige Internetprovider Somalias. Auch diese
Zweige wurden stillgelegt und somit Somalia faktisch von der Außenwelt abgeknipst.
Nach mehreren Monaten der Schließung mussten die USA zugeben, dass der Verdacht gegen die somalische Bank Barakaat, sie habe El Kaida gedient, nicht
erhärtet werden konnte. Für die Hunderttausende Somalis, die von Überweisungen ihrer Verwandter aus dem Ausland leben, und ohne Geld blieben,
ein schwache Genugtuung. Im Schatten dieser Ereignisse ging fast der neuste Versuch für eine dauerhafte Friedensregelung unter. 22 somalische Fraktionen
haben am 26.10.02 in Kenia eine Vereinbarung unterzeichnet, alle Feindseligkeiten gegeneinander einzustellen und den internationalen Hilfsorganisationen Zugang zu den Hilfsbedürftigen zu verschaffen. Dies gilt nur
für die Regionen außerhalb von Puntland im Osten und Somaliland im Norden, die sich für autonom erklärt haben.
Der angebliche Feind in Somalia heißt "Al-Itihaad". Dass "Al-Itihaad" eine
Bedrohung für den Weltfrieden darstellen soll, diesen Beweis blieben die USA und ihre Verbündeten bis heute schuldig. Ein vorgebliches Trainingscamp erwies
sich als Waisenheim. Andere Terrorcamps stellten sich als Koranschulen heraus.
Seit der verheerenden militärischen Niederlage gegen äthiopischen Truppen
arbeitet die "Al-Itihaad" mit veränderter Strategie. Da der fundamentalistische Islam mit der starken Clanloyalität nur bedingt konkurrieren kann, setzt „Al-Itihaad“
vor allem auf Verankerung im sozialen Bereich und betreibt verschiedene Krankenhäusern, Schulen und Suppenküchen - Einrichtungen, die aufgrund der desolaten Situation in Somalia bitter nötig sind
Vor allem Äthiopien hatte sich seit Oktober 2001 mit einschlägigen, allerdings beweislosen Berichten hervorgetan, flankiert von lokalen somalischen
Kriegsherren auf der Suche nach Stärkung gegen Rivalen.
Äthiopien hat keinerlei Interesse an ein vereintes Somalia. Ein schwaches und von Äthiopien abhängiges Südsomalia böte evtl. eine Chance für einen Meer-
und Tiefseehafenzugang - seit der Abspaltung Eritreas ist Äthiopien Binnenland. Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Terror kann Äthiopien seine
Interessen deutlich besser und entschiedener umsetzen und es tut dies im Einvernehmen und in Kooperation mit US- und britischen Truppen. Es existieren
zahlreiche Hinweise darauf, dass US- und britische Truppen im Schatten äthiopischer Truppenbewegungen selbst in Somalia aktiv waren. „Neben vermuteten größeren Ölvorkommen in Somalia, gilt das Hauptinteresse der
US-Strategen besonders die militär- und handelsstrategisch günstige Lage Somalias am Horn von Afrika: der Tiefseehafen Berbera, von der Sowjetunion in
den 70ern gebaut "ist einer der besten im indischen Ozean. Der Flughafen hat eine der längsten Pisten in Nordafrika." Die USA hatten sich schon vor dem 11.
September um ein Basis in der Region bemüht, die Verhandlungen mit Aden (Berbera liegt genau am gegenüberliegenden Ufer des Golfs von Aden) scheiterten nach dem Anschlag auf die USS Cole.“ (IPPNW-Forum 74, Claudia
Haydt)
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